Erneuerbare Energie im Kanton Bern ist der Regierung nicht nur das Papier wert

Vorstossart: Motion

Eingereicht von: Rüegsegger (Riggisberg, SVP) (Sprecher/in)
Kohler (Meiringen, Grüne)
Steiner (Boll, EVP)
Leuenberger (Bannwil, SVP)
Rothenbühler (Lauperswil, Die Mitte)
Flück (Interlaken, FDP)
Egger (Hünibach, SP)

Der Regierungsrat wird wie folgt beauftragt:
1. Die jährliche Dividende der BKW ist zielgerichtet und zweckgebunden für Massnahmen, die zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 und der Energiestrategie 2006 dienen, einzusetzen, beispielsweise, um

  • den Strombedarf der kantonalen Verwaltung aus eigenen PV-Anlagen bis 2030 zu decken
  • ergänzend von privaten Kleinanlagen im Kanton Bern erneuerbaren Strom zu beziehen
  • für die Einspeisung erneuerbarer Energie von privaten PV-Anlagenbetreibern ins öffentliche Netz
    eine für die Amortisation der Anlagen notwendige, minimale Vergütung zu sichern
  • die Herkunftsnachweise privater PV-Anlagenbetreiber im Kanton Bern zu sichern

2. Das kantonale Energiegesetz (KEnG) ist entsprechend anzupassen.

Begründung:

Die Glaubwürdigkeit der Berner Regierung im Zusammenhang mit dem Engagement 2030 der Regierungspolitik 2019-2022 steigt, wenn der Kanton Bern selbst im Bereich Umwelt und Klima als Beispiel dient. Die
Abstimmung zum CO2-Gesetz erfolgt am 13. Juni 2021. Der Klimaverfassungsartikel im Kanton Bern (Klimaschutz Art. 31a neu) wird in der zweiten Hälfte 2021 dem Berner Volk zur Abstimmung vorgelegt. Das
kantonale Energiegesetz (Art. 2 Ziff. 3b) ist unrühmlich, dies trotz mehrerer überwiesenen Vorstösse im
Grossen Rat, weil die Vertretung der Berner Regierung im Verwaltungsrat der BKW AG die notwendigen
Schritte für eine Diskussion der schweizweit tiefsten Rücklieferungsvergütungen nicht oder nur ungenügend angestossen hat. Das lässt auch Zweifel am Willen des Regierungsrates aufkommen, die Vertretung
des Kantons im Verwaltungsrat in diese Richtung anzuweisen. Die BKW weisen für 2020 einen Reingewinn
von 382 Millionen Franken aus. Gemäss Geschäftsbericht beträgt der Dividendenvorschlag 126,6 Millionen Franken. Gemäss den Anteilen von 52,54 Prozent, die der Kanton hält, werden dem Kanton gut 66
Millionen Franken zufliessen. Zumindest ein Teil dieses Geldes sollte dafür dienen, die Energiewende im
Kanton Bern zu fördern und damit die negativen Auswirkungen der tiefen Rücklieferungsvergütungen, die
der Kanton durch seine Passivität mitverschuldet, auszugleichen. Zum Vergleich: Mit Geld in der Höhe der
Vergütung von Suzanne Thoma für 2020 von 1,932 Millionen Franken könnte bei 32 Millionen Kilowattstunden Solarstrom der Rückliefertarif von 4 auf kostendeckende 10 Rappen erhöht werden. Das entspricht der Produktion von 3200 PV-Anlagen mit einer Nennleistung von 10 kW, wie sie auf Einfamilienhäusern zum Einsatz kommen. Leider gibt der Geschäftsbericht der BKW keine Auskunft darüber, wie viel
Geld beispielsweise in die TV-Spots der BKW, die für Nachhaltigkeit werben, fliessen. Aber für jede Werbemillion könnten auch weitere 16 Millionen Kilowattstunden Solarstrom (1600 Anlagen) kostendeckend
vergütet werden.
Nebst den raumplanerischen Herausforderungen zum Erstellen von Staumauern und der schleppenden
Realisierung von Wärmeverbunden in Berner Gemeinden sowie (Klein-)Biogasanlagen wird der Kanton
Bern mit seinen jährlichen Nettoinvestitionen ins Strassen- und Schienennetz einen grossen Anteil der
Kompensationsmassnahmen selbst bewirtschaften können und den zusätzlichen Bedarf an Energie mit
erneuerbarem Strom selbst verbrauchen. Zudem folgen noch die Umstellung auf Elektrobusse und zusätzliche Tramlinien. Die Erwartungen im Kanton Bern an eine wirkliche Wende in Energiefragen sind gross,
Transparenz und Glaubwürdigkeit stehen auf dem Spiel. So sehen viele PV-Kleinanlagenbetreiber den
Kanton in der Verantwortung, selbst effektiver zu handeln.

Antwort des Regierungsrates

Der Regierungsrat unterstützt das Anliegen, den Energieverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu erhöhen und erneuerbare Energien zu fördern. Er hat in den letzten Jahren diverse Anstrengungen unternommen, um die Ziele der kantonalen Energiestrategie 2035 und das Klimaziel 2050 des Bundes aufgrund
des Übereinkommens von Paris (Klimaübereinkommen)1 zu erreichen. Mit dem aktuellen Bericht zur Energiestrategie des Kantons Bern2 hat der Regierungsrat diesbezüglich konkrete Massnahmen für die Umsetzungsperiode 2020 bis 2023 beschlossen. Dazu wurde vom Grossen Rat eine Planungserklärung überwiesen, mit der Forderung «Der Regierungsrat legt in seinen Bereichszielen – aufgrund der steigenden Wichtigkeit von Solarenergie – ein ehrgeiziges messbares Teilziel für Solarenergie fest, welches auch mit entsprechenden zielführenden Massnahmen hinterlegt wird. »
In der Volksabstimmung vom 10. Februar 2019 haben die Stimmberechtigten des Kantons Bern eine Teilrevision des Kantonalen Energiegesetzes vom 15. Mai 2011 (KEnG; BSG 741.1) knapp abgelehnt. Inzwischen haben Regierungsrat und Verwaltung eine neue Vorlage ausgearbeitet, welche am 5. Mai 2021 an
den Grossen Rat überwiesen wurde um die noch fehlenden MuKEn-Module umzusetzen. Insbesondere
Teil E – Eigenstromerzeugung bei Neubauten, welche eine Nutzung der Solarenergie vorsieht. Der Zubau
von Solarenergie wird zukünftig sehr wichtig sein für die Stromversorgungssicherheit, insbesondere nach
dem Scheitern des Strommarktabkommens. Auch unter diesem Aspekt ist es wichtig genügend Anreize für
den Ausbau der Solarenergienutzung zu schaffen.
Zu den einzelnen Punkten nimmt der Regierungsrat wie folgt Stellung.

Punkt 1 allgemein:
Die zweckgebundene Verwendung von Dividendeneinnahmen wird schweizweit bei mehreren Stadtwerken
angewendet.
Eine Möglichkeit, die Zweckbindung für einen fixen oder variablen Teil oder für die gesamten Dividendeneinnahmen der BKW AG für die Förderung erneuerbaren Energien im Kanton Bern sicherzustellen, wäre
die Schaffung einer Spezialfinanzierung. Die Bestimmungen für eine Spezialfinanzierung nach Artikel 14
des Gesetzes vom 26. März 2002 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLG)3 und insbesondere die Verordnung vom 3. Dezember 2003 über die Steuerung von Finanzen und Leistungen (FLV)4 enthalten zahlreiche Vorgaben zur rechtlichen Regelung sowie zur Rechnungsführung bei Spezialfinanzierungen (vgl. Art. 41 ff. FLV). Insbesondere bedarf es einer Grundlage in einem Gesetz (vgl. Art. 14 Abs. 1
FLG). Sämtliche durch die Verwaltung der Spezialfinanzierung verursachten Kosten gehen dabei zu Lasten
der Spezialfinanzierung (vgl. Art. 14 Abs. 5 FLG). Im vorliegenden Fall ist dieser Aspekt vernachlässigbar,
denn die entsprechenden Instrumente und Ressourcen für die Förderung im Energiebereich bestehen
beim Amt für Umwelt und Energie (AUE) bereits. Durch die heutige digitale Onlineplattform des kantonalen
Förderprogramms für erneuerbare Energie und Energieeffizienz, über welche jährlich ca. 8’000 Gesuche
abgewickelt werden, wären einerseits der Zugriff und die korrekte Zuteilung der vorhandenen Finanzmittel
durch den Fonds gegeben und andererseits die Kosten durch die Verwaltung vernachlässigbar. Mit dem
bereits vorhandenen umfassenden Controlling, können der Einsatz der Mittel, sowie die Wirkungen erfasst
und gesteuert werden. Eine Unterdeckung könnte dadurch frühzeitig vermieden werden.
Die Schaffung von Spezialfinanzierungen kann dann angezeigt sein, wenn die Einlagen aus Einnahmen
stammen, die einen direkten Bezug zu den Ausgaben aufweisen. Auf kommunaler Ebene sind Spezialfinanzierungen in den Bereichen der Wasserversorgung5 und der Abwasserentsorgung6 vorgeschrieben, um
die dauernde Werterhaltung der entsprechenden Anlagen zu gewährleisten. Beispiele für kantonale Spezialfinanzierungen sind der Wasserfonds7
, der Abwasserfonds
, der Renaturierungsfonds oder die kürzlich
geschaffene Spezialfinanzierung Mehrwertabgabe
. Inwieweit die Dividendeneinnahmen aus der Beteiligung an der BKW AG einen hinreichend engen Bezug zu den Ausgaben für die Förderung erneuerbarer
Energien aufweisen, um die Schaffung einer neuen Spezialfinanzierung zu rechtfertigen, wäre bei Annahme der Motion näher zu prüfen.
In den vergangenen Jahren konnte die BKW AG aufgrund ihres erfolgreichen Geschäftsgangs vergleichsweise hohe Dividenden ausrichten. Allerdings sind Dividenden in dieser Höhe keinesfalls garantiert und es
ist durchaus möglich, dass künftig während mehrerer Jahre auch wesentlich kleinere oder gar keine Dividenden ausgerichtet werden können. Beim von den Motionären erwähnten Betrag von rund 66 Mio. CHF
handelt es sich um die Bruttodividende vor Abzug der Verrechnungssteuer von 35 %. Die Nettodividende
fällt somit tiefer aus. Es wäre bei einer Annahme der Motion zu prüfen, inwieweit z. B. ein Teil der Dividende für die Speisung der Spezialfinanzierung ausreichend wäre, und ob dieser als flexibler (prozentualer
Anteil) oder fixer Betrag ausgestaltet werden könnte.
Um ein «stop and go» bei der Förderung durch die volatilen Dividenden zu verhindern, müsste die Spezialfinanzierung entsprechend ausgestaltet werden, was in Verbindung mit dem kantonalen Förderprogramm,
wie oben beschrieben, könnte bei einer Annahme der Motion geprüft werden.

Für die Förderung von Photovoltaikanlagen zur Einspeisung sind im Kanton Bern zurzeit keine Mittel vorhanden. Das eingestellte Budget für das kantonale Förderprogramm für erneuerbare Energie und Energieeffizienz kann im Rahmen des Gebäudeprogramms nicht für die Förderung von Photovoltaikanlagen verwendet werden.
Generell gilt bei Spezialfinanzierungen, dass dadurch die Dispositionsfreiheit über die Mittel beschränkt
wird, so dass diese nicht mehr zu Deckung der Kosten der im Rahmen des im jährlichen kantonalen Finanzplanungsprozesses priorisierten Aufgaben, Projekte, Investitionsvorhaben, etc. zur Verfügung stehen.
Damit wird der Handlungsspielraum des Regierungsrats und des Grossen Rats beschränkt. Gleichzeitig
besteht die Gefahr, dass die durch den Fonds finanzierten Aufgaben primär in dem Ausmass wahrgenommen werden, wie Mittel zur Verfügung stehen. Für den Regierungsrat ist es insgesamt zielführender, wenn
im Planungsprozess gegebenenfalls direkt auf die Mittelzuteilung eingewirkt wird.
Punkt 1a:
Im aktuellen Umsetzungsbericht zur Energiestrategie des Kantons Bern hat der Regierungsrat mit den
Massnahmen 15-15 «Solarenergie auf kantonalen Gebäuden und Infrastrukturen» und 20-2 «Dekarbonisierungsstrategie für die Kantonsverwaltung bis 2035» konkrete Instrumente zur Eigenstromproduktion aus
Photovoltaik für die Verwaltung vorgegeben. Bereits seit 2011 erfüllt die Kantonsverwaltung die Anforderungen der Energiestrategie des Kantons Bern von 2006 und bezieht für die kantonalen Liegenschaften
Strom ausschliesslich aus erneuerbaren Ressourcen. Der gesamte jährliche Stromverbrauch der kantonalen Verwaltung beläuft sich auf rund 91.5 GWh, wovon 66 GWh durch kantonseigene Liegenschaften verursacht werden. Die Differenz entsteht durch gemietete Liegenschaften. Insgesamt rund 2 GWh pro Jahr
werden aktuell durch eigene Photovoltaik-Produktion geleistet. Um die kantonseigenen Liegenschaften
derart mit PV-Anlagen auszurüsten, damit sie zur vollständigen Deckung des eigenen Strombedarfs ausreichen würden, wären bei Gestehungskosten von 12 Rp./kWh (Quelle: BFE 13. Juli 2021; Statistik Sonnenenergie – Referenzjahr 2020) insgesamt 7,74 Mio. Franken notwendig. Mit Herkunftsnachweisen (HKN)
von Photovoltaik wären es bei 3,5 Rp./kWh rund 2,25 Mio. Franken, bei einem Mix liegt der Betrag dazwischen. Durch den Kauf von HKN Wasserkraft für 0.1 Rp./kWh würden die Kosten weiter sinken. Mit einem
Teil der Dividende der BKW AG könnten bei einer Annahme der Motion die oben erwähnten Massnahmen
finanziell abgefedert werden und der Kanton könnte seine Vorbildfunktion wahrnehmen und die neuen erneuerbaren Energien im Kanton sichtbar fördern.
Punkt 1b:
Ergänzend zur Deckung des Strombedarfs aus nicht eigener Produktion werden u.a. HKN für PV gekauft.
Des Weiteren könnte geprüft werden, dass aus anderen PV-Anlagen Strom bezogen werden kann, bzw.
aus anderen erneuerbaren Produktionsanlagen, oder diese allenfalls durch den Kauf von HKN unterstützt
werden.
Punkt 1c:
Die Rückliefertarife der BKW sind bereits in mehreren politischen Vorstössen kritisiert worden. Der Regierungsrat hat bei der gemeinsamen Beantwortung der Motion Bachmann und der Motion Rüegsegger
(2016.RRGR.976) darauf hingewiesen, dass die BKW AG als gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft
den Bestimmungen des Obligationenrechts unterliegt. Dieses schreibt unter anderem vor, dass das allgemeine Gebot der Gewinnstrebigkeit nur mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufgehoben werden
kann (Artikel 706 Abs. 2 Ziff. 4 OR). Bei den Rückliefertarifen stützt sich die BKW deshalb auf die Rahmenbedingungen für die Vergütung elektrischer Energie unabhängiger Produzenten durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) ab. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat als Vertreter des
Mehrheitsaktionärs keine Möglichkeit, auf die Tarifgestaltung Einfluss zu nehmen. Diese Zusammenhänge hat der Regierungsrat im Bericht über die Perspektiven der Beteiligung an der BKW AG vom 10.
März 2021 und bei der Beantwortung der Fragen der Finanzkommission ausführlich dargelegt. Der
Grosse Rat hat diesen Bericht in der Sommersession 2021 zur Kenntnis genommen.
Der Kanton Bern ist demgegenüber frei, die Einspeisung von erneuerbarer Energie mit kantonseigenen Finanzmitteln zusätzlich zu entschädigen. Mit einer Zweckbindung der Dividendeneinnahmen aus der Beteiligung an der BKW AG könnte dies finanziert werden. Eine kantonale Einmalvergütung für neue PV-Anlagen
zusätzlich zur Bundesvergütung, wie dies teilweise in anderen Kantonen (z.B. GR) bereits existiert, wäre
eine weitere Option, die über das kantonale Förderprogramm einfach und effizient umgesetzt werden
könnte.
Punkt 1d:
Der Regierungsrat vertritt die Meinung, dass dies durch den Markt geregelt werden soll. Mit dem Kauf von
HKN für den Stromverbrauch der Verwaltung trägt der Kanton Bern indirekt hierzu bei.
Punkt 2:
Die Teilrevision des KEnG ist bereits weit fortgeschritten. Der Regierungsrat hat die Vorlage am 5. Mai
2021 dem Grossen Rat unterbreitet, der in der Wintersession 2021 die erste Lesung durchführen wird. Für
eine gesetzliche Regelung der zweckgebundenen Dividendenverwendung wäre demgegenüber eine neue
Teilrevision des KEnG in Betracht zu ziehen, welche auch ein ordentliches Vernehmlassungsverfahren beinhalten würde..
Der Regierungsrat lehnt die Motion in beiden Punkten ab.