Interview: Christine Häsler 100 Tage im Amt

Bild- und Textquelle: Yves Brechbühler, JungfrauZeitung (https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/167877/)

«Die Umstellung ist mir nicht schwergefallen»

Die Burglauenerin Christine Häsler ist seit rund 100 Tagen im Amt. Gemeinsam mit dieser Zeitung schaut sie zurück auf ihren Start in der Kantonsregierung – und erklärt, wie bei ihr die Umstellung zwischen Legislative und Exekutive nach 13 Jahren im Grossrat und drei Jahren im Nationalrat läuft.

Wie haben Sie sich im Regierungsrat eingelebt?
Christine Häsler: Wir haben in der Erziehungsdirektion eine tolle Equipe, in die ich viel Vertrauen habe. Aber natürlich spüre ich die Verantwortung, die eine solch grosse Aufgabe mit sich bringt. Im Regierungsrat herrscht ein gutes Klima, das schätze ich sehr. So lässt sich konstruktiv arbeiten.

Welche Herausforderungen gibt es konkret?
Als Erziehungsdirektorin bin ich für die Rahmenbedingungen vom Kindergarten bis zur Universität und für die Kultur verantwortlich – das ist ein sehr weites Feld. Das gehe ich unverändert mit viel Respekt an – aber auch mit viel Freude.

Worin bestand in den ersten 100 Tagen Ihre Arbeit?
Im Juni stand gleich zu Beginn eine Grossratssession, in der ich bereits diverse Geschäfte zu vertreten hatte. Und grundsätzlich stehe ich seit 1. Juni mitten in der Arbeit, die natürlich – ungeachtet des Wechsels von Bernhard Pulver zu mir – einfach weiterläuft. Da ist das erfahrene Team, das den Alltag und die Aufgaben bestens kennt, einfach unersetzlich. Dank den Mitarbeitenden kann ich mich sehr rasch einarbeiten.

Wie machten Sie das?
Ich versuche immer, mit den Menschen hinter den Dossiers in Kontakt zu treten.

Also kein reines Aktenwälzen im stillen Kämmerlein?
Nein, die Arbeit im stillen Kämmerlein kommt dann, wenn man eigentlich Feierabend hätte. Den Tag durch stehe ich vor allem mit jenen Personen in Kontakt, um die es in den Dossiers geht.

Hat man das Leben als Regierungsrätin noch selber im Griff? Oder wie viel wird einem von aussen an Pflichtterminen herangetragen?
Man ist natürlich bei sehr vielen Terminen und Aufgaben stark fremdbestimmt. Aber man lernt sehr schnell, dass man mit guter Planung dafür sorgen kann, dass es auch noch ein Privatleben gibt. Das ist mir sehr wichtig, und es gelingt mir nach wie vor.

An ihrer ersten Pressekonferenz muss Christine Häsler konkrete Massnahmen bei den Einsparungen in der Erziehungsdirektion präsentieren.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihren ersten 100 Tagen?
Ich denke, ich bin in meinem neuen Amt gut gestartet – vor allem auch dank der Kompetenz und dem Engagement meiner Mitarbeitenden. Die wichtige Arbeit passiert aber ebenso auch ausserhalb, an den Schulen im ganzen Kanton. Nicht zuletzt deswegen kann ich meine Führungsaufgabe und die politische Leitung überhaupt so wahrnehmen. Ausserdem profitiere ich auch von der Arbeit meines Vorgängers Bernhard Pulver.

Wie gut sind Ihre Dossierkenntnisse bereits?
Nach 100 Tagen kann man noch nicht da angekommen sein, wo man das meiste weiss. Das geht nicht. Von daher weiss ich, dass ich noch vieles zu lernen und zu erfahren habe, bis ich wirklich eingearbeitet bin.

Sie sprechen Bernhard Pulver an. Stehen Sie noch oft in Kontakt mit Ihrem Parteikollegen und Vorgänger im Regierungsrat?
Zunächst mag ich Bernhard Pulver seine freie Zeit nach dem Rücktritt aus dem Regierungsrat gönnen und möchte nur schon deshalb nicht zu oft bei ihm anrufen (lacht).

Aber die eine oder andere Anfrage gibt es schon?
Wir kennen uns auch persönlich gut und sehen uns nach wie vor hin und wieder.

Innerhalb des Erziehungswesens haben Sie bereits diverse Erfahrungen, zum Beispiel bei der Holzbildhauerschule in Brienz oder als Schulratsmitglied der Berufsschule IDM in Thun.
Natürlich kennt man sich immer da am besten aus, wo man selber herkommt – bei mir ist das die Berufsbildung. In den von Ihnen genannten Bereichen habe ich bereits Erfahrungen wie auch bei der Aus- und Weiterbildung von Menschen mit Behinderung und in Kulturthemen.

Wo sind Ihre Defizite?
In den übrigen Bereichen (lacht). Nein, im Ernst: Vieles kannte ich vor meinem Amtsantritt noch nicht aus erster Hand. Doch das ist nicht nur ein Problem, im Gegenteil. Bei der politischen Führung einer Direktion schadet es nicht, wenn jemand den Blick von aussen hineinträgt.

Wie meinen Sie das?
Einerseits müssen diejenigen, die mit den Rahmenbedingungen arbeiten, gute Möglichkeiten erhalten. Das reicht von den Mitarbeitenden in der Erziehungsdirektion bis zu den Lehrkräften an den Schulen im ganzen Kanton. Der politische Fokus ist oft ein anderer als der fachliche. Deshalb tut es sicher auch gut, wenn jemand wieder einmal einfache Fragen stellt und Grundsätzliches hinterfragt.

Als Grossrätin hätten Sie den Sparmassnahmen wohl nicht zugestimmt, nun müssen Sie diese aber übernehmen und ausführen. Keine einfache Aufgabe.
Ja, aber das gehört eben auch zum Dasein als Regierungsrätin. Das ist ein Teil der Arbeit, der ebenfalls wichtig ist. Die Sparmassnahmen sind für mich eine nicht zu ändernde Tatsache, aber die Frage bleibt, wie man damit umgeht. Mein Ziel ist es, die Sparmassnahmen möglichst verträglich umzusetzen und an diesem Entscheidungsprozess möglichst viele teilhaben lassen.

Wie hoch belaufen sich insgesamt die Sparmassnahmen in der Erziehungsdirektion?
Mit dem Entlastungspaket 2018 sind in der Erziehungsdirektion im Bildungs- und Kulturbereich Einsparungen von 5,3 Millionen Franken in diesem Jahr respektive bis zu 32,9 Millionen Franken bis zum Jahr 2021 verbunden.

Inwiefern sind Institutionen im Berner Oberland davon betroffen?
Im Berner Oberland waren die Streichung von Beiträgen an die Hotelfachschule in Thun und die Gartenbauschule Hünibach Teil des Sparpakets. Im Fall der Gartenbauschule Hünibach hat der Grosse Rat die Beitragsstreichung abgelehnt, im Gegenzug ist jedoch eine neue Leistungsvereinbarung auszuhandeln, die das Ziel beinhaltet, den Eigenfinanzierungsgrad zu steigern. Bei der Hotelfachschule Thun hat der Grosse Rat entschieden, die vorgesehene Einsparung um 50 Prozent zu reduzieren und diese frühestens ab dem Jahre 2021 umzusetzen.

Werden die Sparmassnahmen auch die kantonale Verwaltung treffen?
Die Erziehungsdirektion hat fünf Prozent der Stellen in der zentralen kantonalen Verwaltung eingespart. Das ist bereits fast vollständig umgesetzt.

Bereits als Grossrätin sind bestimmt viele Menschen auf Sie zugekommen mit konkreten Anliegen und Wünschen. Hat das als Regierungsrätin noch einmal zugenommen?
Ich will den Menschen zuhören und versuche, mir dafür auch immer Zeit zu nehmen. Doch oft muss ich halt zur Antwort geben, dass ich bei diesem oder jenem Anliegen nicht konkret und schnell etwas bewirken kann. Aber nur schon zu hören, wo bei den Menschen der Schuh drückt, ist für mich wichtig. Das hilft mir auch in meiner Arbeit.

Sie waren 13 Jahre lang als Grossrätin tätig. Als Regierungsrätin haben Sie während der Session nun die umgekehrte Perspektive. Wie schnell haben Sie sich daran gewöhnt?
Ich arbeite gerne mit dem Parlament zusammen. Bereits als Grossrätin hatte ich nie Probleme, mit denjenigen Politikern zusammenzuarbeiten, die nicht gleicher Meinung mit mir waren. Deshalb fiel mir die Umstellung nicht schwer. Aber natürlich war der Perspektivenwechsel nach 13 Jahren für mich schon interessant.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer ersten Legislatur setzen?
Die Equipe der Erziehungsdirektion hat zusammen mit Bernhard Pulver gute Arbeit geleistet. Ich freue mich, diese Arbeit weiterzuführen, und ich will zum Erreichten Sorge tragen. Inhaltlich geht es zum Beispiel darum, den Lehrplan 21 im Alltag umzusetzen. Dazu wollen wir den Lehrkräften genügend Zeit lassen und sie gut begleiten. Dann steht der Wechsel der Sonderschulen von der Gesundheits- und Fürsorgedirektion in die Erziehungsdirektion an. Ein grosser Wechsel, aber dass auch die Bildung für Kinder mit besonderem Förderbedarf in die Aufgaben der Erziehungsdirektion gehören wird, das bedeutet mir viel.