Die Jungfrau Zeitung präsentiert bis zur Wahl vom 27. März täglich eine Kandidatin oder einen Kandidaten für den Grossen Rat. Heute kommt Beat Kohler aus Meiringen von den Grünen zu Wort.
Warum wollen Sie in den bernischen Grossen Rat?
Beat Kohler: Ich will allem voran die Energie- und Klimapolitik im Kanton so mitgestalten, dass auch zukünftige Generationen noch einen lebenswerten Kanton Bern und insbesondere ein lebenswertes Berner Oberland antreffen. Denn das Berner Oberland ist in besonderem Mass vom Klimawandel betroffen, sei es bezogen auf Naturgefahren, aber auch auf den Tourismus oder die Biodiversität. Ich will aufzeigen, dass sich beim Schutz des Klimas Ökologie und Ökonomie nicht widersprechen – im Gegenteil. Nur mit einem ökonomischen Ressourceneinsatz erreichen wir auch ökologisch vertretbare Lösungen. Damit dies gelingen kann, muss der Kanton den Rahmen entsprechend setzen.
Der Kanton Bern gilt im nationalen Vergleich als Steuerhölle. Wo würden Sie sparen, um Steuern zu senken?
Der Begriff der Steuerhölle ist ein politisches Konstrukt, um Wahlkampf zu betreiben. Wohin zu viel sparen führt, sieht man aktuell zum Beispiel beim Amt für Gemeinden und Raumordnung. Wenn die übergeordnet geforderten Abläufe nicht zeitnah bearbeitet werden können, führt dies volkswirtschaftlich zu viel höheren Kosten, als man mit einem Personalabbau eingespart hat. Die Sparprogramme der letzten zehn Jahre kommen uns jetzt teuer zu stehen. Um substanziell Steuern senken zu können, müsste an den grössten Kostenblöcken gespart werden – an der Gesundheit und der Bildung. Beides halte ich für grundlegend falsch.
Nehmen Sie dafür den Abbau von staatlichen Dienstleistungen und höhere Kosten für Gebühren in Kauf?
Ich finde es richtig, dass staatliche Dienstleistungen regelmässig auf Ihre Zweckmässigkeit überprüft und gegebenenfalls abgebaut werden. Was nicht geht, ist aber, Behörden, die für die Einhaltung eidgenössischer Vorgaben sorgen, streichen zu wollen, nur weil man mit den übergeordneten Gesetzen nicht einverstanden ist. Das ist ein merkwürdiges Staatsverständnis. Höhere Gebühren müssen von Fall zu Fall auf ihre Sozialverträglichkeit geprüft werden, können aber im Sinn der Kostenwahrheit und des Verursacherprinzips sinnvoll sein.
Spüren Sie einen Stadt-Land-Graben im Kanton Bern?
Natürlich gibt es deutlich unterschiedliche Interessen und Ziele in der Stadt und auf dem Land. Sowohl die Städte als auch der ländliche Raum haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie umstrittene Abstimmungen für sich gewinnen können. So gesehen ist das Kräfteverhältnis ausgewogen. Diesen Graben heraufzubeschwören und zu versuchen, ihn politisch zu instrumentalisieren, halte ich für billigen Wahlkampf. Stadt und Land sind aufeinander angewiesen und müssen zusammenarbeiten. Gerade wir im ländlichen Raum müssen uns bewusst sein, dass nach wie vor mehr Geld die Aare hinauf fliesst als umgekehrt.
Was tun Sie für die Stadtbevölkerung?
Ich gehe auf die städtische Sicht der Dinge ein und ich trage Infrastrukturprojekte im städtischen Raum mit, weil wir starke Zentren als Wirtschaftsmotor brauchen. Ich habe beispielsweise auch einen Vorstoss für die rasche Umsetzung von Härtefall-Massnahmen für die Kultur und Eventbranche mit eingereicht.
Was erwarten Sie von der Stadtbevölkerung?
Wichtig ist, dass wir uns zusammen mit den Menschen aus den Städten engagieren. Diese will ich nicht nur in nachhaltigen Tourismusangeboten begrüssen, wir brauchen auch ihre Unterstützung, um bei uns Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise umzusetzen. Dabei wünsche ich mir zudem etwas mehr Verständnis für die Herausforderungen, vor denen die Landbevölkerung steht.
Atomstrom oder Windräder auf den Hügeln und Stauseen in den Alpen?
Die Fragestellung zeigt ein aktuelles Problem mit der Wahrnehmung, weil die Energieform mit dem grössten Potenzial ausser Acht gelassen wird, die Solarenergie. Stromsparen als weiterer zentraler Pfeiler fehlt auch, so müssen wir beispielsweise dafür sorgen, die digitale Welt ressourcenschonend zu bauen. Die Diskussion um Atomstrom ist ein Scheingefecht, das uns auf dem Weg zur Energiewende nur unnötig Zeit kostet. Sie finden aktuell niemanden, der ein neues AKW bei sich haben will oder finanzieren will und bis ein solches Werk in der Schweiz gebaut wäre, würde es viel zu lange dauern. Die Photovoltaik verfügt über ein riesiges Potenzial, schon nur wenn wir die bereits versiegelten Flächen wie Dächer oder Infrastrukturbauten nutzen. Hier müssen wir rasch massiv ausbauen. Deshalb habe ich auch sehr aktiv an der Berner Solarinitiative mitgearbeitet und auch diverse Vorstösse lanciert – unter anderem für attraktive Rückliefertarife für Solarstrom im Kanton Bern. PV liefert im Winterhalbjahr weniger Strom, weshalb ich auch das Projekt für einen neuen Stausee an der Trift unterstütze und es auch für sinnvoll erachte, Windkraftanlagen zu bauen. Leider zeigt sich gerade bei diesen Anlagen, dass zwar alle Strom aus der Steckdose wollen, sich die meisten aber gegen Windräder in der Landschaft wehren.
Finden Sie es richtig, dass ausgediente Alphütten und Weidhäuser nicht zu Wohnungen und Ferienhäusern umgebaut werden dürfen?
Eigentlich wäre es zu begrüssen, wenn bestehende Bausubstanz weiter genutzt werden kann. Eine solche Umnutzung zieht aber bezüglich der Erschliessung einen ganzen Rattenschwanz nach sich, der zu einer weiteren Zersiedelung der Landschaft führen kann. An verschiedenen Orten im Berner Oberland hat sich an verschiedenen Beispielen auch gezeigt, dass Umbauten oft zu massiven Ausbauten werden, die nicht zulässig sind. Es braucht also klare Regeln, die umgesetzt werden.
Was ist zu tun, damit der Kanton Bern den Anschluss an die Wirtschaftskantone Zürich, Basel-Stadt und Zug nicht verliert?
Wir können keinen internationalen Flughafen bauen und zum Zentrum der Finanzwirtschaft werden, die Grosschemie werden wir Basel nicht abspenstig machen und ich möchte auch nicht, dass wir zum Paradies für Briefkastenfirmen werden. Aber gerade im Energiebereich hätten wir die Möglichkeit, verstärkt eine Führungsrolle zu übernehmen. Nicht nur bei der Wasserkraft sind wir traditionell stark, sondern wir sind eigentlich ein Solarpionierkanton bei Forschung und Entwicklung, beispielsweise mit dem Labor für Photovoltaiksysteme der Berner Fachhochschule und auch bei der Produktion mit Meyer Burger. So stammen ein grosser Teil der Maschinen, mit denen heute Photovoltaikmodule hergestellt werden, ursprünglich aus Thun. Es gibt noch viele andere Unternehmen, die im Bereich der Stromspeicherung und der Netze grosse Leistungen bringen. Auf die erneuerbaren Energien muss der Kanton ein Augenmerk legen und seinen Einfluss geltend machen, denn dieser Sektor wird in den kommenden 20 Jahren boomen.
Was ärgert Sie und was freut Sie?
Mich ärgern unaufrichtige, von Ideologie beherrschte Diskussionen, die wissenschaftliche Fakten negieren oder ausser Acht lassen und deshalb nicht zielführend sind. Davon gibt es im Moment leider einige, insbesondere auch in Bezug auf den Klimawandel. Ich freue mich, wenn wir politische Mehrheiten für gute Lösungen finden, wie das beim kantonalen Klimaschutzartikel der Fall war.
Zur Person
Vorname, Name (Alter): Beat Kohler (47)
Partei: Grüne Berner Oberland
Wahlkreis: Oberland
Wohnort: Meiringen
Beruf: Redaktor
Aktuelle politische Ämter: Grossrat, Präsident Grüne Berner Oberland
Verbände/Vereine/Mandate: Präsident Solar Beo Ost, Vorstand Energiewendegenossenschaft, Musikgesellschaft Meiringen