Prioritäre Behandlung des Konzessionsverfahrens Trift

Vorstossart: Motion

Eingereicht von: Mentha (Liebefeld, SP) (Sprecher/in)
Flück (Interlaken, FDP)
Kohler (Meiringen, Grüne)
Rüegsegger (Riggisberg, SVP)
Riem (Iffwil, Die Mitte)
Bossard-Jenni (Oberburg, EVP)
von Arx (Schliern b. Köniz, glp)

Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat das Konzessionsverfahren für das Wasserkraftwerk
Trift spätestens in der Herbstsession 2022 zum Beschluss vorzulegen.

Begründung:

Das Konzessionsverfahren Trift wurde auf Antrag des Regierungsrats von der Grossratsleitung in der Wintersession 2020 zurückgezogen. Grund dafür war das Urteil des Bundesgerichts vom 4. November 2020
in Sachen Vergrösserung Grimselsee (Urteil 1C_356/2019). Das Bundesgericht macht darin das Speicherausbauvorhaben und damit auch das Kraftwerk Trift mit dem dazugehörigen gänzlich neuen Stausee von
einer vorgängigen Festsetzung im kantonalen Richtplan abhängig und verlangt, dass der Regierungsrat
die beiden Projekte auf Richtplanebene aufeinander abstimmt und entscheidet, ob ein überwiegendes Interesse an der Realisierung beider Projekte besteht oder ob zur Schonung der Schutzgebiete nur eines
davon oder keines zu realisieren ist.
Die vom Bundesgericht eingeforderte Interessenabwägung wurde vom Kanton Bern im Konzessionsverfahren statt im Richtplanverfahren bereits vorgenommen. Im Richtplan des Kantons ist das Kraftwerk Trift
lediglich als Vororientierung erwähnt. Dies bedeutet zweierlei: Erstens wurde die wichtige Interessenabwägung inhaltlich bereits weitgehend durchgeführt und zweitens muss diese Interessenabwägung nun
noch formell korrekt im Richtplan abgebildet und als Festsetzung vom Regierungsrat beschlossen werden.
Inhaltlich ist die Arbeit somit weitgehend gemacht, mit Ausnahme der Interessenabwägung, ob eines oder
beide Ausbauprojekte der Wasserkraft im überwiegenden Interesse sind. Die KWO hat den Regierungsrat inzwischen wissen lassen, dass sie beide Ausbauprojekte realisieren will, da der vom Bundesrat angestrebte Ausbau der Speicherkapazität für die Produktion von Winterstrom im Umfang von zwei TWh bis
2040 nur mit der Realisierung beider Projekte erreichbar ist. Die KWO möchte das Kraftwerk Trift als dringlich zuerst realisieren, während der Ausbau des Grimselstausees weniger dringlich ist.
Gemäss aktueller Geschäftsplanung des Regierungsrats ist das Konzessionsverfahren für die Sommersession 2023 geplant. Dies bedeutet, dass sich der Regierungsrat für die Richtplananpassung und erneute
Vorlage der Konzessionserteilung Trift zweieinhalb Jahre Zeit nehmen will! Die Motionäre vertreten die
Auffassung, dass sich der Regierungsrat zu viel Zeit lässt, insbesondere für die Richtplananpassung.
Die Motion will eine sachgerechte und raschere Vorlage des mit dem Richtplan abgestimmten Verfahrens
zur Konzessionserteilung erreichen. Das Kraftwerk Trift muss zügig und prioritär behandelt werden, da es
dringlich und von nationalem Interesse ist. Der Bund hat sich zum Ziel gesetzt, die Energieversorgung
stärker auf die Nutzung einheimischer erneuerbarer Energie abzustützen. Dabei soll insbesondere eine
substanzielle Steigerung der Speicherkapazität erzielt werden. Begründet wird dieser Ausbau einerseits
mit der Notwendigkeit, im Winterhalbjahr eine Strommangellage zu verhindern, und andererseits mit den
gestiegenen Anforderungen zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität. Gemäss Risikoanalysen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (BABS) ist eine Strommangellage seit Jahren das grösste Risiko der
Schweiz, mit potentiell grossen Personenschäden und immensen ökonomischen und immateriellen Schäden für die Wirtschaft und Gesellschaft (siehe dazu BABS, Katastrophen und Notlagen Schweiz, technischer Risikobericht 2020). Zur Verhinderung solcher Strommangellagen erbringt die KWO im nationalen
Höchstspannungsnetz wichtige Systemdienstleistungen für die Swissgrid. Diese müssen rasch ausgebaut
und besser auf die Nachfrage abgestimmt werden können. Dafür ist der Ausbau der Wasserkraft und der
Speicherkapazitäten der KWO unabdingbar.
Nach Auskunft der Verwaltung sind für die erforderliche Richtplananpassung namentlich folgende Schritte
notwendig, wobei mit folgenden Fristen gerechnet wird:
• Festlegung der für die Interessensabwägung zu beantwortenden Fragen: 3 Monate
• Erarbeitung von Grundlagen für die Interessensabwägung: 6 Monate
• Interessensabwägung durch Verwaltung, ggf. Vorentscheid Regierungsrat: 6 Monate
• Vorbereitung Richtplananpassung inkl. kantonsinterner Konsolidierung: 6 Monate
• Öffentliche Mitwirkung und parallel Vorprüfung Bund: 5 Monate
• Richtplanbeschluss Regierungsrat und Genehmigung Bund: 6 Monate
• Neuauflage Konzessionsgesuch: anschliessend
Die Motionäre sind der Ansicht, dass insbesondere für die vier ersten Schritte, die überwiegend verwaltungsinterne Arbeiten umfassen, eine Dauer von 21 Monaten zu lang ist. Sie halten dafür, dass diese
Arbeiten beschleunigt werden können.
Gemäss Artikel 2a des Koordinationsgesetzes (KoG) kann der Regierungsrat ein Verfahren für prioritär
erklären, wenn dessen Gegenstand im übergeordneten Interesse des Kantons, insbesondere im Interesse
der wirtschaftlichen Entwicklung oder der öffentlichen Sicherheit liegt. Obwohl rein rechtlich das KoG für
das Richtplanverfahren nicht angerufen werden kann, erscheint es den Motionären sachgerecht, wenn für
die nun erforderliche Richtplananpassung analog zu diesem Verfahren vorgegangen wird. Dies insbesondere auch deshalb, weil die vom Bundesgericht geforderte Interessenabwägung in grossen Teilen bereits
gemacht wurde. Sie betraf eine Abwägung zwischen den Interessen des Landschafts- und Naturschutzes,
des Gewässerschutzes, der Fischerei und Biodiversität einerseits und den Interessen an der Stromproduktion aus Wasserkraft (sichere Energieversorgung, klimaneutrale Stromproduktion), den wirtschaftlichen
Interessen des östlichen Oberlands, der KWO und der an ihr beteiligten Firmen andererseits. Die Prüfung
wurde nach Auffassung der vorberatenden Bau-, Energie-, Verkehrs- und Raumplanungskommission
(BaK) sehr sorgfältig gemacht. Das Dossier umfasste mehrere detaillierte Berichte (darunter eine 200 Seiten umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung 1. Stufe). Die BaK empfahl, die Konzessionserteilung −
gestützt auf diese Interessenabwägung − dem Grossen Rat einstimmig zur Annahme.
Es fehlt einzig eine Ausweitung der Interessenabwägung auf den Umstand, dass im gleichen geografischen Gebiet des Oberhaslis zwei Ausbauprojekte geplant sind (Grimselstauseevergrösserung und neues
Kraftwerk Trift). Dazu hält der Bundesgerichtsentscheid fest: «Grundsätzlich ist es Sache des kantonalen
Richtplans, zwei Projekte mit gewichtigen Auswirkungen auf Raum und Umwelt im gleichen Gebiet aufeinander abzustimmen und zu entscheiden, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Realisierung
beider Projekte besteht, oder zur Schonung der Schutzgebiete nur eines davon oder keines von beiden zu
realisieren ist».
Begründung der Dringlichkeit: Der Ausbau der Wasserkraft und die Erhöhung der Speicherkapazitäten für nachhaltig produzierten
Winterstrom sind dringlich und liegen im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung des Kantons Bern und der Schweiz sowie im
Interesse der öffentlichen Sicherheit (Vermeidung einer Strommangellage).

Antwort des Regierungsrates

Bei der vorliegenden Motion handelt es sich um eine Motion im abschliessenden Zuständigkeitsbereich
des Regierungsrates (Richtlinienmotion). Der Regierungsrat hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grades der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren
Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrages, und die Entscheidverantwortung bleibt beim Regierungsrat.
Der Regierungsrat ist sich der energiepolitischen Dringlichkeit des Konzessionsverfahrens für das Kraftwerk Trift bewusst. Die in der Motionsbegründung zitierten Schritte zeigen auf, welche Phasen für eine
Richtplananpassung grundsätzlich nötig sind; sie stellen aber keinen Zeitplan für die Richtplaneinträge der
Vorhaben Vergrösserung Grimselsee und Kraftwerk Trift dar. Der Regierungsrat ist bereit, diese Verfahren
zu beschleunigen, soweit dies in seinem Einflussbereich liegt.
In der bisherigen Praxis des Kantons Bern erfolgte die räumlich detaillierte Abstimmung von Kraftwerkvorhaben im Rahmen des Konzessionsverfahrens; diese wurden anschliessend im kantonalen Richtplan
nachvollzogen. Als Folge des am 15. Juni 2012 neu eingefügten, seit dem 1. Mai 2014 in Kraft stehenden
Artikels 8 Absatz 2 des Raumplanungsgesetzes1
(«Vorhaben mit gewichtigen Auswirkungen auf Raum
und Umwelt bedürfen einer Grundlage im Richtplan») ist dieses Vorgehen nicht mehr möglich.
Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom 4. November 2020 in Sachen Vergrösserung Grimselsee
(Urteil 1C_356/2019) dessen Festsetzung im kantonalen Richtplan als Voraussetzung für die Erteilung der
Konzession verlangt. Dabei forderte es auch die Abstimmung mit dem Vorhaben des Kraftwerks Trift im
Richtplan: Es sei grundsätzlich Sache des kantonalen Richtplans, zwei Projekte mit gewichtigen Auswirkungen auf Raum und Umwelt im gleichen Gebiet aufeinander abzustimmen und zu entscheiden, ob ein
überwiegendes öffentliches Interesse an der Realisierung beider Projekte bestehe, oder zur Schonung der
Schutzgebiete nur eines davon oder keines von beiden zu realisieren sei.
Auch wenn für beide Vorhaben umfangreiche Informationen zur konkreten räumlichen Abstimmung vorhanden sind, muss die vom Bundesgericht verlangte gegenseitige Abstimmung noch erfolgen. Zudem
macht der Regierungsrat darauf aufmerksam, dass die räumliche Abstimmung des Vorhabens der Vergrösserung Grimselsee bereits vor rund zehn Jahren im Hinblick auf die Konzessionserteilung durch den
Grossen Rat im Jahr 2012 erfolgt ist (die nun vom Bundesgericht aufgehoben wurde). Sie ist gemäss dem
Urteil zumindest in der Interessenabwägung zum Gletschervorfeld des Unteraargletschers noch nicht vollständig.
Der Regierungsrat ist bereit, das Richtplanverfahren so weit wie möglich zu beschleunigen. Allerdings sind
gewisse Schritte gesetzlich vorgeschrieben (öffentliches Mitwirkungsverfahren, Genehmigungsverfahren

1 Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG, SR 700)
Nicht klassifiziert | Letzte Bearbeitung: 18.08.2021 | Version: 2 | Dok.-Nr.: 232700 | Geschäftsnummer: 2021.RRGR.147 4/4
durch den Bund oder verwaltungsinterne Mitberichtsverfahren). Zudem bestehen zeitliche Unsicherheiten
über die Dauer der Vorprüfung und der Genehmigung durch den Bund. Der Regierungsrat sieht vor, die
verwaltungsintern nötigen Schritte prioritär in rund 10 Monaten zu bewältigen. Weiter kann auch Zeit gewonnen werden, indem der Regierungsrat die Konzession zuhanden des Grossen Rats parallel zum Genehmigungsverfahren des Richtplans beim Bund beschliesst (der Grosse Rat darf die Konzession jedoch
erst erteilen, wenn die Bundesgenehmigung der Richtplanfestsetzung vorliegt). Zudem kann allenfalls die
übliche Frist für die Vorberatung durch die Gremien des Grossen Rats verkürzt werden, sofern dieser dazu
Hand bietet.
Aus den genannten Gründen kann im Moment kein verlässlicher Terminplan vorgelegt werden. Auch wenn
von Seiten der kantonalen Verwaltung alle möglichen Massnahmen zur Kürzung der Verfahrensdauer ergriffen werden, wird es jedoch vermutlich nicht möglich sein, das Konzessionsverfahren für das Kraftwerk
Trift dem Grossen Rat in der Herbstsession 2022 vorzulegen.
Weil es sich um eine Richtlinienmotion handelt und der Regierungsrat bereit ist, alle Mittel zur Beschleunigung zu ergreifen, beantragt er dem Grossen Rat die Annahme der Motion.
Verteiler
‒ Grosser Rat